Reisetag 65 – 70 Donau-Km 1705 - 1402 Wetter: sommerlich, sonnig bis zu 31°C, windig bei 1 – 2 Bft., zum Abend zuweilen leichter Regen oder Gewitter
Nach dem Anker aufholen in dem Schutzhafen Pilismarót folge ich der Donau weiter talwärts vorbei an der Festungsanlage Viesegrad, dem für Ungarn wohl geschichtsträchtigsten Hügel an der Donau (https://de.wikipedia.org/wiki/Visegr%C3%A1d) vorbei hinein den den schmaleren Donauwestarm unterhalb des Hauptstrom, um Szentendre besuchen zu können.
Diese Kleinstadt soll eines der meistbesichtigten Städte Ungarns, ca. 20 Km weit vor Zentrum von Budapest gelegen, sein.
Da diese Künstlerstadt ein mediterranes Flair haben soll und verschiedenste Ethnien ihre Spuren auch in Form zahlreicher Kirchen hinterlassen haben, machte ich ich an dem einzigen Sportbootanleger des Wiking-Clubs fest, wo sich die schon sprichwörtliche Abzocke der Sportbootfahrer in Ungarn fortsetzt. Für den zweistündigen Aufenthalt waren 10€ fällig, 10 weitere für die nächste Stunde usw.
Es stellt sich heraus, dass die historischen Atmosphäre auch von anderen Touristen bestaunt werden will und diese es dann auch in Völkerscharen, insbesondere von den riesigen Fahrgastschiffen tun.
Mir ist das Gedränge zuwider und ich möchte mich dem entziehen.
Dennoch, Szentendre hat einen gewissen Charme, auch wenn der in den Gassen abseits der Touriströme etwas nachlässt und verblasst.
Das weiter talwärts gelegene Budapest kündigt sich durch vielfältige Wassersportaktivitäten an, darunter die nervtötenden Motorbootfahrer, die unfähig sind, die Folgen der von ihnen verursachen Wellenschläge auch nur zu erahnen.
Nachdem sich meine Erregung darüber halbwegs legt, kommt ein etwas besseres Schlauchboot kurz vor Budapest steuerbordseitig heran, die gemischte Besatzung hält sich am Süllrand fest und stellt sich als Polizei Budapest vor.
Man fordert mich höflich-bestimmt auf, den Motor abzustellen und dann die Identität von Person und Boot nachzuweisen.
Mal abgesehen davon, dass der 5-Tonnen-Segler ohne Motoreinwirkung ein Spielball der Strömung im herannahenden Schiffsverkehr ist, beschäftigt mich die Frage, wieso die Hohlbirnen mit ihrem seemännisch äußerst fragwürdigen Verhalten stundenlang ungestraft nerven und ich mich einer Polizeikontrolle unterziehen muss.
Von Budapest weiß man, dass dort noch höhere Liegepreise abverlangt werden als in Wien. Budapest ist deshalb kein Aufenthalt wert, auch nicht unter dem Vorhalt, man könne sich das nicht entgehen lassen, wer weiß wann denn sonst usw. Nein, ich brauche den Moloch der Großstädte nicht mehr.
Zugegeben, einige Gebäude, insbesondere der Regierungssitz Ungarns, sind beeindruckend und sicherlich auch besichtigenswert, aber nicht auf dieser Reise.
ie Nacht zum Pfingstmontag liegt die „Lotus“ wieder vor Anker, dieses Mal oberhalb der Stadt Dunaújváros in einem Industriehafen. Die Etappe bis dahin, immerhin ca. 120 Fluss-Km zieht sich bis in die Dunkelheit. Und ich will es eigentlich nicht mehr machen, unter diesen Umständen sind Einfahrten aufgrund der durchgehenden Schwärze des Ufers nicht mehr auszumachen.
Diese Einmündung ist natürlich nicht beleuchtet und so fährt man nur mittels des Cursors auf dem Plotter realitätsfern in eine dicht bewachsene Uferzone ein und stellt beglückt fest, dass man nicht in die Steine der Befestigung einschlägt, sondern sich mit einem Mal ein Stichkanal eines Hafens auftut, dessen Anlagen zudem beleuchtet sind.
Da dieses Becken offenbar in Betrieb ist, verziehe ich mich in den hintersten Teil, wo es gerade noch tief genug ist, lasse den Anker in der Finsternis fallen und stelle dann am nächsten Morgen fest, dass ich von Anglern in ihren schmalen Holzbooten, den Donauzillen, umzingelt bin. Man ignoriert mich so gut es geht.
Die Landschaft hat sich nach Budapest schlagartig verändert, es macht sich flaches Land breit, die Donau wird breit und ist weitestgehend zu einer Auenlandschaft geworden, die mit üppigem Busch- und Baumbestand aus weidenähnlichen Gehölzen nur gelegentlich von kleinen Orten und Städten unterbrochen wird und zu Recht unter Schutz gestellt ist. Sie fließt gemächlich mit nicht mal mehr 2 kn dahin und am frühen Nachmittag und in einer Bucht am rechten Ufer lasse ich den Anker fallen.
Es ist Pfingstmontag und ich erlebe einen sommerlich warmen Nachmittag mit unterschiedlichsten Aktivitäten am und auf dem Wasser vor dem Dorf Gerjen, die Ortschaft kann ich nur in der Entfernung wegen der Dorfstraßen, Laternen und Strommasten erahnen.
Manche Familien sind in diesem Naturhafen mit ihren kleinen Booten zugange, in Zillen warten Angler auf ihren Fang, Jetskis werden zu Wasser gelassen und andere spazieren nachmittäglich am Ufer entlang zur Donau Es sind alle Generationen dabei und diese Idylle wird durch den buschigen Bewuchs der Auenlandschaft und den großen Ulmen am Ufer zum Dorf eingerahmt.
Nur am Anfang werde ich von den Akteuren im Geschehen eingewoben. Gerade nachdem der Anker fällt stelle ich einige Momente später fest, wie am zwei Männer am Uferrand des kleinen Auenhafens einem weiteren in hektischer Manier beim Angeln unterstützen.
Ich sehe dann am Bug der Lotus“, dass der Ankerball von einer fremden Kraft mal in die eine, dann in die andere Richtung driftet. Da erst verstehe ich den Zusammenhang mit Aufregung am Ufer: Es hat etwas Kapitales angebissen, dass sich mit der Angelschnur in der Leine des Ankerballs verheddert hat.
Einer der Helfer eilt zusammen mit dem Angler in einer Zille zur „Lotus“, entwirrt die Schnur und beide können wenige Momente später einen recht großen Fisch in das Boot keschern. Chapeau!
Danach kehr wieder Ruhe ein, ich werde kaum beachtet und das feiertägliche Geschehen nimmt weiter seinen Lauf.
Der nächste Tag weiter durch die Auenlandschaft mit der breiten Donau führt zur Grenzstadt Mohács, wo ich an dem im Donaubuch beschrieben Pontoanleger der „Barka Bar“ festmache. In dem Moment kommt ein Schlauchboot angefahren und der Fahrer hält sich am Süllrand fest und bemerkt im perfekten deutsch, dass ich unter deutscher Flagge fahre.
Ich hatte zuerst angenommen, dass das ein Verantwortlicher des Pontoanlegers sei, der sogleich abkassieren möchte kaum dass das Boot fest ist.
In dem nachfolgenden Gespräch bietet er an, dass ich nahe seines Bootes etwas weiter talwärts auch ankern könne wenn mir das an der „Barkas Bar“ nicht zusagt.
Ich sichere zu, darüber nachzudenken und packe das Klapprad aus und mache mich startklar, muss aber an dem Stegzugang zum Pontonanleger feststellen, dass dieser ver- und ein Landgang somit ausgeschlossen ist. Das Rad wird wieder geklappt und verpackt und ich ankere nahe bei der „Fairplay“ von Tina und Freder, die sich als sehr sympathisch herausstellen.
Ihr zum alleinigen Wohnsitz ausgebautes Boot Marke Eigenbau, ca. 20 m lang, mit allem Inventar, was ein Hausstand braucht, besitzt sogar ein Pizzaofen, ebenfalls Marke Eigenbau unterhalb der Dachterrasse. Das Paar ist nach mehrmonatiger Donautour auf dem Rückweg nach Mannheim und pflegt einen eigenen Blog unter https://twitter.com/FairplayAufTour (unbedingt reinschauen!)
Wir verbringen zwei Abende miteinander, gehen essen, ich werde zum Grillen eingeladen, das Wetter ist prima und überhaupt, das Leben kann so schön sein.
Es sind nicht die Highlights der Donaustädte und Landschaften dieser Tour, die diese Reise so einzigartig machen, es sind die Begegnungen mit den freundlich-offenen und hilfsbereiten Menschen, die bei jedem Abschied einen Anflug von Traurigkeit verursachen.
Selbst die Beamten und Beamtinnen der Aus- und Einklarierungsbehörden (Polizei, Zoll, Hafenkapitän), die sich eine gewisse Reserviertheit zu eigen machen, werden nach Schilderung des Plans zunehmend freundlicher, lassen sich die „Lotus“ zeigen, verzichten aber auf weitere Inaugenscheinnahmen hinsichtlich Einfuhr von Waffen, Drogen, Zigaretten, Alkohol pp. und geben noch wertvolle Tipps zum Tanken und Essen mit auf den Weg.
Das Aus- und Einklarieren ist eine Notwendigkeit bei Verlassen der EU-Außengrenze und Einreise in ein Nicht-EU-Land mit dem Boot und wird mich noch häufiger beschäftigen. Es ist äußerst hilfreich, alle Papiere der Bootsbesatzung, des Bootes, Führerscheine, Funkzeugnisse, Steuerzahlungsnachweise für das Boot, Impfpass, internationaler Bootsschein und Versicherungsnachweise vorlegen zu können. Das Letztere war nur digital vorhanden, bei Tina und Freder auf dem Boot kann ich das ausdrucken deren Hausstand darauf ist komplett.
Nach dem Einklarieren am Zollsteiger in Bezdan, wo mir ein freundlicher Serbe beim Anlegen hilft und sogleich zum Behördengebäude begleitet, fahre ich nach Apatin weiter.
Bei dem etwas herunter gekommenen Amt fühlte ich mich schon im Eingang an die Dienststellen der ehemaligen DDR erinnert, die Ausstattungen, die Tapeten, der Geruch, das gesamte Ambiente, alles passt. Ich vermisste jedoch die Wimpel mit Hämmer, Zirkel und Sicheln auf schwarz-rot-goldenem und vollständig rotem Grund und das gnädig-süffisante Grinsen der Honecker-Fotografien in schwarz-weiß an den Wänden.
Apatin hat vorgelagert eine große Marina mit Hotel-,Tank-,Werkstatt- und Wäscheservice, die Nacht für 35€ ist nicht besonders günstig, gehen damit aber okay.
Dafür kostet der leckere Cappuccino in der Fußgängerzone nur umgerechnet 1,07€, das Rückgeld ist eine kleine Variation Geldscheine des serbischer Dinars.
Wegen der Hafengebühren habe ich den kleinen Außenborder schon mal wieder an die Reling gehängt, Schlauchi wird morgen aufgeblasen und es wird künftig auch im Strom geankert, Tina und Freder haben es vorgemacht, selbst als Lastträger taugt so ein Dinghi.
In Apatin, wo im 18. Jahrhundert viele Deutsche, vorzugsweise Schwaben, eine neue Heimat fanden, macht sich ein zwiespältiger Eindruck breit wie auch in den kleinen Städten davor. Manche Häuserzeilen wirken herausgeputzt und die Geschäftsstraßen haben die üblichen Einkaufsmöglichkeiten, aber schon in der nächsten Straße dahinter überwiegt ein bröckelnder Charme einst prächtiger Häuserzeile, die jetzt sich selbst überlassen wird.
Schon bei der Anfahrt des Donaubogens Apatin fällt ein größes Kirkengebäude am linken Ufer auf und ich beschließe, mir das anzuschauen.
Diese serbisch-orthodoxe Kirche „Synode der heiligen Apostel“ ist mit ihrer Fertigstellung 2002 relativ neu und eigentlich habe ich schon genug Gotteshäuser gesehen, aber dieses Gotteshaus im prächtigen serbisch-byzantinischen Stil hat ein unfassbares Interieur.
Nach dem Betreten scheint gerade die Sonne durch die oberen Fenster und der Lichteinfall beim Altar bildet dort ein Kreuz aus und die bunt gemalten, klaren und unverschnörkelten Bilder vom Leben Jesus und der Apostel sind beeindruckend.
Morgen geht es weiter, ich möchte die verbleibenden Donau-Km baldigst dreistellig eintragen können.
Rechte: TomGonzales, major revision by Ulamm in April 2016, CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0>, via Wikimedia Commons
mehr Bilder: https://fernwin.de/Bilder
Hallo Thomas
Ich habe so eben deinen Betrag gelesen und geschmunzelt.
35€ Auf dem Balkan, da sind wir ja ein Schnäppchen und du hattet bei uns fast Vollpension 😉.
Dein Berichte werden immer schöner und die Bilder der Landschaften machen mich zu Hause neidisch.
Mach weiter so und genieße die Menschen und die Landschaften und vergesse nicht die Eindrücke fest zuhalten, wir sind bei dir
Dieter
Hey, Abenteurer, es ist mal wieder Zeit, dass ich mich bei DIR melde. Regelmässig schaue ich mir DEINE tollen Bilder DEINES Männertraums an. Ich bin schon neidisch und auch zugleich stolz, DICH zu kennen. Alles was DU DIR zutraust ist einzigartig und faszinierend. Ich hoffe sehr, dass DU auch weiterhin Bilder postest, am besten, DU schreibst ein Buch nach DEINER Rückkehr, ich bin mir sicher, dass DU Abnehmer dafür finden würdest, mich als ersten (grins). Hoffentlich läuft auch weiterhin alles nach DEINEM Plan, wovon ich aber ausgehe. Erleide bitte keinen Schiffbruch, ich will DICH noch lange zu meinen besten Freunden zählen dürfen!!! Weiterhin bestes Gelingen DEINES Trips, nur wenige können von so etwas aussergewöhnlichem berichten und auch wahrscheinlich ein Leben lang davon zehren. Ich wünsche DIR nur das allerbeste, und lass DICH nicht unterkriegen, zuhause bist DU dann immer noch lange genug. Also bis bald, PETRI HEIL und Viiieeel Spass, DEIN Kumpel ALEX VAITH