Ruse-Bulgarien-Reparatur

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Tag 88 – 93 (28.06. - 02.07.2022) Donau-Km 494 -493 Wetter: sommerlich heiß, bis zu 32°C, windig bei 1 - 2 Bft.

Das Warten hat ein Ende, die „Lotus“ ist aus dem Wasser und es geht endlich weiter.
Diese letzten Tage am Restaurantponton haben mich mürbe gemacht und gelegentlich ertappe ich mich bei der Frage, ob dieses ganze Unternehmen wirklich eine so gute Idee war.

Aber im Einzelnen:
Den Montag habe ich tatenlos im Boot verbracht oder habe mir mit dem Fahrrad die Stadt ein wenig erradelt. Dabei fallen mir wieder diese halb zerfallenen alten Häuser auf, die mit ihrem Charme bald verloren sein werden oder bereits aufgegeben wurden.

Die lange Fußgängerzone der Innenstadt ist davon nicht betroffen, die traurigen Immobilien stehen in zweiter Reihe, in den Nebenstraßen, wo der Blick ständig fußwärts gerichtet ist, da Gehwege zumeist in einem sehr desolaten Zustand sind.

Ich kann ein Termin mit Kristian machen, der mit mir tags darauf in die Häfen fahren will, um erst einmal eine Kranung und ein Platz an Land für das Boot zu organisieren.

Im ersten Hafen direkt vor der Brücke Ruse-Giurgiu in einem großen Kiesverarbeitungs- und Verladebetrieb können wir, d.h. mehr Kristian, den leitenden Ingenieur nicht von seiner Meinung abbringen, zunächst so ein Lagerbock zu schweißen wie ich ihm auf einem Bild vom Winterlager/Teerhofinsel zeige. Das würde aber etwa 8 – 10 Tage dauern.
Eine andere Lösung mit Abstellen auf den Kiel und Verkeilen kann er sich nicht vorstellen, er habe ja auch an die Sicherheit seiner Leute und des Bootes zu denken.
Seinen Vorschlag können wir uns auch nicht vorstellen.

Im nächsten Hafen, den hatte ich schon einmal erradelt und bin dabei an alte Loks und Waggons vorbeigefahren, haben wir keinen Verantwortlichen angetroffen und Kristian fährt mich wieder zu meinem Boot am Restaurantponton.

Die nächsten Tage bis Freitag habe ich mehrfach mit ihm Handykontakt und erfahre, dass alles gut werde und ich mir keine Sorgen machen solle.
Genau die mache ich mir aber, bin ich mit Freitag doch schon eine Woche in Ruse ohne einen Plan, wie die Ruderreparatur auch nur auf den Weg gebracht werden kann.

Am Donnerstag telefoniere ich deshalb noch einmal mit dem Bootsbauer aus Giurgie/Rumänien, der sogleich Name und Nummer des Hafenkapitäns Giurgie übersendet, den ich anschließend anrufe und die Möglichkeiten erfrage.
Der Hafenchef sieht keine Probleme, Kräne, Gurte und Stellmöglichkeiten seien vorhanden, ich möge am nächsten Montag um 08.00 Uhr in den Hafen bei Km 492 einfahren.

Von dieser neuen Variante berichte ich Kristian, der nicht erbaut ist von meinen Absichten, habe er doch drei Tage damit verbracht, mir zu helfen. Dass die relativ fruchtlos gewesen seien, irritiert ihn nicht, alles werde schließlich gut.
Freitag früh bekomme ich dann den Anruf von ihm, dass ich um 13.00 Uhr stromaufwärts an seinem Yachtclub vorbei in den Industriehafen dahinter einfahren soll, um dann auf ihn und Borislav, genannt „Barko“ zu treffen.

In dem Industriekomplex werde ich an einen kleinen Ponton dirigiert, oben auf der Kaimauer stehen eine Reihe Leute, darunter auch Kristian.
Borislav „Barko“Boychev schaut sich das Boot und den Ruderaufbau an und er erwägt, die „Lotus“ nur hinten soweit aus dem Wasser zu heben, bis das Ruder sichtbar und möglicherweise so abgezogen werden kann.

Da das nur eingeschränkten Erfolg hat, wird die LM mittels eines Industriekrans nach Anlegen der Gurte über Stahlseile und Stange in einer Geschwindigkeit aus dem Wasser gezogen wie man es wohl üblicherweise mit Transportgut macht.

Geleitet wird die Aktion bei mittlerweile 32°C ohne jeglichen Windhauch vom Hafenchef, seine etwa 10 Mitarbeiter bringen das Ladegut in seine Position, es wird zwar viel diskutiert, aber man macht. Und innerhalb von wenigen Minuten steht der Segler auf Vierkanthölzer, eingeklemmt zwischen zwei Betonwänden, die zum Einfrieden von Schüttgut dienen.
Das Boot steht fest und morgen wird das Ruder abgebaut.

Es sieht schlimm aus und Barko entscheidet, dass er ein neues Blatt bauen werde, kein Problem. Der Kiel ist hat auch diverse Stellen, die behandelt werden müssen.
Nach dem Austrocknen, was bei den erwarteten 40°C der folgenden Woche wohl in drei Tagen erledigt sein dürfte, braucht das einige Einheiten Epoxy zum Füllen und Glätten.

Ich bedanke mich noch bei dem Hafenchef und will das auch bei den Arbeitern tun, die haben aber bereits eiligst die sengende Sonne unter den Kränen verlassen, möglicherweise haben sie auch schon längst Feierabend.
Auch mir klebt alles am Körper, der Schweiß tropft von der Nase und so bin ich froh, dass Kristian mich zum Hotel “Kristal“ fährt, wo ich nach dem Einchecken umgehend dusche. Manchmal können so kleine Dinge so viel Genuss bedeuten, erst recht, wenn damit auch eine kleine Last abfällt. Es geht voran!

gebrochenes Ruderblatt

Und das schon am heutigen Samstag, 02.07.2022. Es ist der mittlerweile der 93.Tag der Reise wenn man an den gestrigen Angaben glauben möchte, könnte am Ende der Woche der Mast stehen.
Heute morgen holft mich Szegin ab, der auch gestern die Hebeaktion auf der „Lotus“ leitete, und wir fahren zum Ruderabbau. Noch ist gegen 09.00 Uhr erträglich, gegen 12.00 Uhr werden wir fertig und sind wieder die 30°C erreicht.

Als die Rudersäule von der gesamten Mechanik (Pinnensteuerung, Mechanik der Selbststeuerungsanlage u.a.) im Heck getrennt ist und Sezgin die Verankerung am Heck löst, realisieren wir, dass das Boot noch angehoben werden muss, der abgescherte Teil des Ruders reicht nicht aus, um es komplett abzuziehen.
Also wird wieder der Kranführer aus seinem Wochenende geholt und Minko, so heißt der freundliche Mitarbeiter, hebt das Boot an und Sezgin kann den traurigen Rest des Ruderblatts mitsamt der Rudersäule mit einigen beherzten Hammerschlägen nach unten abziehen.

Wie die dänischen Seglerfreunde vom lmklubben.dk beschrieben und bebildert hatten (Mange tak, kærester!) war die Aktion unspektakulär.

Danach soll der Segler wieder abgestellt werden. Aufgrund des aufkommenden und böigen Windes ist das einfache Abstellen zwischen den Betonwänden ohne Beschädigungen nicht möglich und Sezgin telefoniert einen weiteren Kollegen herbei, der sich wohl auch ein arbeitsfreies Wochenende vorstellte und der schiebt mit seinem Gabelstapler die Betonteile erst auseinander und nach Einnahme der Parkposition der „Lotus“ auch wieder zusammen.
Barco holt das Ruder ab und alle gehen ins Wochenende, Sezgin fährt mich ins Hotel.

eingeklemmt

Beim Korrekturlesen fällt mir auf, dass ich anfangs der Reise von Landschaft und Leuten berichtet und mich dabei möglichst in den Hintergrund gestellt habe. Das hat sich zu einer Leidensgeschichte der „Lotus“ und dem Skipper gewandelt. Man möge mir verzeihen, sobald alles gerichtet ist, werden die Berichte weniger ich-bezogen, versprochen!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Dieter

    Hallo Thomas
    Die Form der Berichterstattung ist egal
    Hauptsache du lieferst 😉.
    Bei deinem Ruder haben ja die Donaukrokodile schon fast die Hälfte abgefressen.
    Bleib dran und überwache die Werftarbeiten das interessiert uns

    Dieter

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