Tag 188 - 192 (21. - 25.09.2023), Reise-Km 2416 - 2520
Wetter: warm bis 26°C, 0 - 7 Bft., mit Mistral
Wieder auf dem Boot im Port du Friuol (und nicht Pomègues, sorry) schaue ich mir die Wetterlage der nächsten Tage an. Es kommt ein Mistral auf für die nächsten Tage; das heißt also NW-Winde bis 7 Windstärken und kalte, aber klare Luft. Wenn ich den abwarte, habe ich für den Krantermin am Montag, 09.30 Uhr, ein zu schmales Zeitfenster, ich muss los!
Der Mistral wird am Donnerstag Nachmittag (21.09.) nach einer Winddrehung von SO sein Werk für drei Tage aufnehmen, noch davor könnte ich schon fast im Schutz von Port-Saint-Louis-du-Rhône sein. Es ist dort eine Reede mit langem Wall vor dem Kanal und ich hoffe, dass sich dort die Wellen einigermaßen flach halten.
Ich verabschiede mit von Uwe und Gerhard und dessen „Lorbas“ aus Konstanz, wünsche insbesondere dem 86-jährigen Skipper alles Gute und starte in das Grau des Morgens Richtung Port-Saint-Louis. Es wird sogleich ungemütlich, der Südost geht mit 6 Bft. durch und auf dem letzten Drittel der Strecke greift der Mistral ebenfalls mit einer 6 und baut dabei eine mächtige Welle auf, die sich im Schutz der Reede vor Port-Saint-Louis tatsächlich entspannt.
Dort liege ich vor Anker und lasse den Mistral die nächsten drei Tage über das Boot gehen, zuweilen steigern sich die Wellen mit mindestens einem Meter und vorn im Bug hat man das Gefühl andauernder Fahrstuhlfahrt vermittelt, man kommt nur nicht an.Zu allem Überfluss reißt die Ankerkralle des Ankerdämpfers und übergibt sich Rasmus, der gußeiserne Haken hat es nicht mehr ausgehalten.
Der Mistral stellt seinen Dienst am Sonntag gegen 10.00 Uhr ein und mit einem Mal ist Ruhe, der Bug knallt nicht mehr in die Wellen und das Jaulen und Pfeifen in der Takelage hört auf. Ich traue der Sache nicht, könnte es doch nur eine kleine Pause sein.
Aber tatsächlich, wenige Stunden später ist das Wasser glatt, es zeigt sich ein entspannter Sonnenuntergang, ich kann die Ruhe kaum fassen und gehe früh in die Koje, um endlich einmal auszuschlafen.
Am heutigen Montag bin ich pünktlich in der Marina und die „Lotus“ wird sogleich mit einem Trecker und Hubwagen aus dem Wasser gezogen, zum Stellplatz am südlichen Rand der Lagerflächen verbracht und abgestellt. Und ich stelle fest, dieses Gelände mit all den Segel- und Motorbooten ist so unfassbar groß, man könnte sich darauf verlaufen. Die Marina Port Navy-Service behauptet von sich, Europas größtes Trockenlager zu sein, die Web-Seite https://www.port-navyservice.com/de/ umschreibt 1500 Außenbootsplätze auf 22 Hektar. Beeindruckend!
Wohl deshalb funktioniert das Holen der „Lotus“ aus dem Wasser und Abstellen völlig routiniert, die beiden Angestellten gehen so ruhig und entspannt an die Sache, man fühlt sich gut aufgehoben.
Ich fange sofort mit den Arbeiten am Unterwasserschiff an, wasche das Dinghi und bereite einige Dinge mehr für das Winterlager vor. Roman hat sich für morgen Abend angekündigt, ich habe noch einiges auf der Liste.
Und Einkaufen muss ich auch noch, geht doch Milch, Baguette und Bier aus. Auf dem Weg in die Innenstadt von Port-Saint-Louis-du-Rhône muss ich mit meinem Klapprad eine Vollbremsung machen als ich sehe, was zwei Männer dort zum Foto drapiren: ein Thunfisch, glänzend und an der Seite leicht blutend mit fetter Angelschnur im Maul. Der erfolgreiche Ältere lässt wissen, dass er den kapitalen Burschen mit 1,40 m und 21 kg vor zwei Stunden nach unerbittlichem Kampf in der Rhône-Mündung geangelt habe.
Ich darf den Fisch anfassen, er ist so superglatt, dass die Hand auf der grauglänzenden Haut, die kaum Schuppen erkennen lässt, fast ohne Widerstand ganz seicht weggleitet. Und ich bemerke die Schönheit dieses Tieres mit dem auf Geschwindigkeit getrimmten Körper, den großen Augen und den kleinen gelben Dreiecken, die in einer Reihe hinter der Rückenflosse und auf der Unterseite stehen.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich eine kleine Wehmut am Sonntag Nachmittag, als das Wasser glatt ist, die Sonne wieder wärmt und ich die Stationen dieser Etappe Revue passieren lasse.
Geht doch ein Jahr Mittelmeer mit vielen Erlebnissen zu Ende und ich weiß, dass ich einiges vermissen werde, so mit Sicherheit das klare und warme Wasser, wo man sich vom eingegrabenen Anker an der Reeling überzeugen konnte, das Sitzen in der Plicht bis in die tiefe und noch warme Nacht, die beeindruckenden Landschaften und insbesondere die tollen Ankerbuchten in Kroatien, der Urlaub von Nico auf dem Boot, die Tage mit Marco oder meinem Bruder Michael mit Familie, aber auch die teils unerwarteten Begegnungen mit richtig netten Leuten, von denen ich einige näher kennen lernen durfte. All das wird mir fehlen, ich weiß es jetzt schon.
Und kurz, nur ganz kurz, habe ich überlegt, wie es wäre…