Wetter: sommerlich warm bis 29°C, 0 - 7 Bft., schon kühle Nächte
Dies ist der vorletzte Blog dieses Teils der Reise vor dem Winterlager in Port-Saint-Louis-du-Rhône und auch der Besuch der letzten Insel im Mittelmeer, der Île de Pomègues.
Aber zunächst ist noch von Porquerolles zu berichten, der Insel westlich der Île de Port-Cross aus dem vorherigen Blog, wo ebenfalls ein Fort steht. Dort auf der höchsten Erhebung oberhalb der gleichnamigen Stadt erhebt sich das Fort Sainte-Agathe, gebaut 1531 vom französischen König Francois I. zur Verteidigung von Insel und Hafen gegen Piraten und Überwachung der Inselgruppe von Hyères.
Dieses Fort ist nicht ganz so prächtig wie das Fort de l’Estissac auf Port Cros, die Aussicht von dort oben gefällt dennoch. Auch die kleine Hafenstadt ist hübsch, touristisch zwar voll erschlossen, aber dennoch geht beschaulich-entspannt zu.
Da ich Zeit habe, verbleibe ich, weil auch schwachwindig, den Mittwoch in dieser Bucht und erst am Donnerstag geht es weiter in die nächste Ankerbucht von Sanary sur Mer, wo ich drei Tage das durchziehende Schwerwettergebiet erdulde . Wegen der Windlage von bis zu 7 Bft. habe ich die „Lotus“ nur am Donnerstag Vormittag bei noch mäßigen Wind verlassen können, in einem Baumarkt am Stadtramd besorge Motoröl für den anstehenden Ölwechsel vor dem Winterlager und ein paar Verbrauchsmaterialien.
Ansonsten langweile ich mich fast durchgehend an Bord, es windet teils heftig mit den beschriebenen Windstärken, mitunter regnet es. In den sonnigen Abschnitten der drei Tage beobachte ich viele Wingsurfer, denen diese Winde aufs Wasser locken. Es ist schon beeindruckend, wie die Bretter scheinbar über dem Wasser schweben (nur ein Foil gleitet im Wasser) und der Surfer mit kleiner Segelfläche beeindruckende Geschwindigkeiten entwickelt.
Einer dieser Könner übersieht allerdings eine der gelben Plastikbojen, die aussehen wie nackte Minions.
Es gibt an zwei Abenden keinen Sonnenuntergang, aber ich denke, in den Beiträgen sind auch genug davon, aber am Sonntag Abend errötet es am Abend wieder.
Am Montag mache ich mittags auf zur vorletzten Etappe, nämlich die zur Île de Pomègues, wo ich an der Ostseite gegenüber von Marseille vor Anker gehe.
Dort Törn wird anstrengend. Es fängt mit schwachen Winden an, diese steigern sich dann später für zwei Stunden zu 4 – 6 Bft., um dann wieder nachzulassen. Das Schwerwettergebiet der vergangenen Tage hat draußen offenbar massive Wellen zurückgelassen, die so heftig und vor allem derart gehackt sind, dass mir auf dem Halbwindkurs jeglicher Spaß abhanden kommt.
Es ist immer schwierig, Wellenhöhen zu bestimmen und oft werden die in Erzählungen spätestens nach dem zweiten Bier auch übermaßig. Ich kann nur anhand der entgegen kommenden Segler beschreiben, dass deren Bootskörper zeitweise in den Wellen verschwinden und nur noch der Mast zu sehen ist. Vermutlich sind die Wellen somit deutlich mehr als einen Meter hoch. Zum Ende der Strecke legt sich der Wind fast vollständig, das Boot wird instabiler und hüpft unter Maschine wie ein Korken auf den Wellen, Spaß geht anders!
Endlich in der kleinen Bucht von der Insel Pomègues mache ich neben einem französischen und einem kanadischen Segler fest. Auf dem Stahlboot „Inuk“ begrüßt mich der Skipper Clement und kommt sogar zur Ankerassistenz an Bord der „Lotus“ nachdem mein Anker zweimal nicht greifen will.
Er lädt mich zum Sundowner auf sein Boot ein und dort treffe ich neben seinen Freunden auch auf Claire, die neben uns mit ihrer „Eskimo“ ankert.
Mit dem Englischen ist in dieser netten Runde eine kurzweilige Unterhaltung möglich. Clement ist gelernter Seemann und kann u.a. den Gebrauch eines Sextanten beschreiben. Er erzählt zu unserer Ankerbucht, dass das in früheren Zeiten der Quaratänehafen gewesen sei. Alle Schiffe, die nach Marseille einfahren wollten und bei denen man annahm, dass die Besatzung eine Krankheit verbreiten könne, wurden hier zunächst festgesetzt. Das sei eine der Lehren aus der Zeit der großen Pest gewesen (https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fe_Pest_von_Marseille).
Wiki weiß dazu im französischen Artikel folgendes:
„Die Bucht von Pomègues war ein Quarantäneort für Seeleute, die bis ins 19. Jahrhundert in Marseille landen wollen, insbesondere um die Verwüstungen der Pest in Marseille zu bekämpfen. Fünf Hektar Land und Gebäude und ein kleiner Hafen waren dort aufgestellt worden, um etwa fünfunddreißig Schiffe unterzubringen“ (https://fr.wikipedia.org/wiki/Pom%C3%A8gues)
Die vielleicht 25-jährige Claire ist Frankokanadierin und hat deshalb ihren Segler mit dem kanadischen Banner am Flaggenstock behängt. Sie berichtet von ihrem Bootskauf im vergangenen Jahr in Südafrika, um dann mit dieser auch schon betagten Yacht nach Frankreich und zunächst in die Bretagne zu fahren, von wo sie dieses Jahr in das Mittelmeer über die Biskaya und Gibraltar in Richtung Marseille aufgebrochen ist, wo ihre Eltern wohnen, Und das alles alleine, also singlehanded!
Die Île de Pomègues ist der Südteil der Inselgruppe Iles de Frioul, der nördliche Inselteil (Île Ratonneau), dazwischen die vermutlich künstliche Verbindung mit dem Port du Frioul (Hafen und Marina) zum südlichen Teil, der Insel Île de Pomègues mit der Ankerbucht und der Festung an der Südspitze. Diese Inselgruppe hat einen herb-schönen Reiz, hat sie keine nennenswerte und recht flache Vegetation und nur felsige – aber aufregende – Küsten aus grau-beigen Gestein und Felsen, dazu weht ein beständiger Wind.
Aber eine Wanderung zur Südspitze und damit zur offenen See führt zu einem Fort, einer üppigen Verteidigungsanlage mit Bunker- und Geschützanlagen, Kasematten und Baracken, deren Modifizierungen durch die Deutsche Wehrmacht während des 2. Weltkrieges eingebracht wurden (s. https://fr.wikipedia.org/wiki/%C3%8Eles_du_Frioul).
Quasi die schmale Taille der Inselgruppe bildet der Hafen von Pomègues, der sich mit einer ständigen Fährverbindung zum Besuch der in Sichtweite gelegenen Stadt Marseille anbietet. Dazu werde ich von Franzosen an Bord der „Inuk“ auch aufgefordert, allein der über 2000 Jahre alte Stadthafen sei die Visite wert.
Die „Lotus“ verlegt also am Mittwoch morgen von der „Quarantäne-Bucht“ in die Marina. Es ist ein bedeckter Tag, vielleicht gerade richtig für eine Stadtbesichtigung. Die Fähre „Edmond Dantes“ (der Graf von Montechristo spielt z.T. in Marseille, s. https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Graf_von_Monte_Christo) durchfährt bei ihrer Ankunft in Marseille den riesigen Stadthafen Vieux Port, dessen Anfänge auf 600 v. Chr. datiert werden, bis zum Ende. Und ich staune: es ist kaum zu fassen, wie viele Sportboote dort an den unzähligen Stegen festgemacht haben!
Zu Marseille ist auf Wiki (https://de.wikipedia.org/wiki/Marseille) zu lesen, dass auch hier deutsche Soldaten gewütet haben: „Zwischen November 1942 und August 1944 (Operation Dragoon) war Marseille von deutschen Truppen besetzt. Im Januar und Februar 1943 wurde nach Himmlers Anweisung ein Großteil der historischen Altstadt (Vieux Port) von Truppen der Wehrmacht und der Waffen-SS gesprengt. 27.000 Einwohner wurden aus der Altstadt, die der Besatzungsmacht als ein Hort der Résistance galt, zwangsumgesiedelt (Himmler hatte 100.000 Deportierte verlangt). 1.640 Bewohner der Stadt, darunter etwa 800 Juden, wurden als „unerwünschte und antisoziale Elemente“ festgesetzt und später ins Reichsgebiet bzw. nach Polen deportiert und größtenteils ermordet.“
Dennoch, die Stadt Marseille ist voller Sehenswürdigkeiten und so schlendere ich erst in das „Le Panier“, was der älteste Stadtteil nördlich des Alten Hafens ist. Dort fallen eine Vielzahl toller Graffiti an den alten Häuserwänden auf, zahlreiche Boutiquen und charmante Cafés laden zum Verweilen ein, es umgibt einen ein Flair von Entspannung abseits des pulsierenden Großstadttrubels, eine sehr nette Ecke!
Von der Altstadt gelangt man in Richtung Hafen fast automatisch zur monumentalen „Cathédrale de la Major“, die als eine der größten Kathedralen, die nach dem Mittelalter gebaut wurden, gilt. Im Netz ist zu lesen, dass deren Anfänge in das 5. Jahrhundert n. Chr. reichen, ihr jetziges Aussehen und Größe aber Napoleon zu verdanken hat.
Auf dem Weg zurück in den Stadthafen geht es von der Museumsinsel auf einer schmalen Fußgängerbrücke hinüber zum Fort Saint-Jean, ein ziemlich verwinkelter Festungsbau mit beeindruckender Geschichte (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Fort_Saint-Jean). Dort hat man den schönsten Blick auf den Stadthafen „Vieux Port“, den ich allerdings nicht lange genieße, es stellt sich Regen ein und ich eile zur Fähre, die mich zurück zur Insel Pomègues bringt, von wo ich morgen Richtung Winterlager nach Port-Saint-Louis-du-Rhône verlege.