Tag 135 – 140 (13. - 18.08.2022) Wetter: sommerlich heiß, bis zu 34°C, Wind bei 2 - 4 Bft, mit kurzzeitiger 6
Den Abend des Ruhetages beende ich in einem Hafenrestaurant in Myrina auf Limnos bei Shrimps in Metaxasauce und lecker trockenen Landwein.
Am nächsten Morgen führt die Fahrt zur Insel Efstratios, dem Sprungbrett für den langen Törn von gut 50 Seemeilen nach Westen quer über Ägäis.
Die Fahrt wird weitestgehend zur Motorfahrt, gegen 13.00 Uhr hole ich die Segel raus, es kommt eine leichte Brise auf, die aber nur eine halbe Stunde anhält. Also weiter mit dem Bukh-Diesel.
Vor der Insel Efstratios begleitet mich eine ganze Weile ein Delphinpaar und zum ersten Mal sehe ich sie springen und wieder eintauchen. Die haben Spaß!
Der kleine Fähr- und Fischerhafen auf Nisos Efstratios hat nur eingeschränkt Plätze für Sportboote, also anker ich in dem kristallklaren Wasser, ich kann den Anker beim Eingraben zuschauen.
Sogleich gehe ich mit Brille und Schnorchel in dieses riesige Aquarium und habe in dem warmen Wasser das Gefühl, dass das Boot in einem unbekannten Medium zu schweben scheint, nach Wasser sieht das nicht aus, es ist komplett durchsichtig.
Es ist Sonntag, an meinem Ankerplatz vor dem Badestrand bei nur 2,80m Tiefe erlebe ich das Strandleben mit zahlreichen Badegästen, Familienausflüge und Beachvolleyball, alles ständig unterlegt mit gerade noch erträglicher Musik. Hin und wieder umrunden Schwimmer die Lotus, eine junge Frau dachte, dass der rosa Ball in einiger Entfernung vom Bug der „Lotus“ herrenlos sei. Mitnichten, kann ich erklären, der hängt an einem Anker.
Da mein Sorgenkind, der Autopilot wieder ständig mit Fehlermeldungen aussteigt, gehe ich im Heck auf Fehlersuche und kann bei manueller Betätigung der Selbststeuerung feststellen, dass die Hydraulikpumpe nur stotternd die Hubstange bewegt und an zwei Stellen trotz massiver Pumpengeräusche einfach stehen bleibt. Das sind die Momente, wo mich die Steuerelektronik mit dem nervenden Warntor und den Fehlermeldungen bedient.
Es ist tragisch, aber die Hydraulikpumpe liegt offenbar in den letzten Zügen und die Selbststeuerung fällt für den Rest der Fahrt aus.
Am Abend kommt doch noch Wind auf und durch den weit offenen Hafen somit auch Schwell. Da der Wind von der anderen Inselseite aus NO kommt, mache ich mir wenig Sorgen und gehe früh in die Koje.
Das Schwojen und Rollen des Bootes im Schwell wird mit jeder Stunde stärker. Ich schlafe nur sporadisch und bin kurz nach vier Uhr morgens wach, als die Petroleumlampe vom Tisch der Plicht klirrend zu Boden fällt. Die Reste des Glaszylinders scheppern von einer Seite der Plicht auf die andere und wieder zurück.
Es ist mittlerweile ein so heftiges Rollen im Boot, dass ich mich nur kriechend bewegen kann und erst einmal einige Sachen an ihren Platz zurückräume. Nach dem Beseitigen der Scherben beschließe ich die sofortige Weiterfahrt, raus auf die See, da ist es ruhiger.
Um 05.05 Uhr mache ich Lichter und Radar an und bin raus aus dem Hafen.
Ich muss motoren weil kein nennenswerter Wind und ich habe keine Ahnung, wo diese langen Wellen und der Schwell herkommen. Auf der gesamten Fahrt zur Insel Kyra Panagias sitze ich entweder an der Pinne oder auf dem Fahrersitz.
Mittels eines quer gespannten Tampens kann ich zumindest eine Erleichterung beim Steuern erreichen, etwa alle zwei bis drei Minuten muss ich den Kurs allerdings korrigieren. Aber so kann ich mir etwas zu Trinken oder Essen holen oder das Mittelmeer verdünnen.
Und zum fehlenden Wind fällt mir nichts mehr ein! Seit Wochen kachelt es in einer Tour mit mehr Wind als genug. Aber seit zwei Tagen ist Flaute und das scheint sich auch nicht ändern zu wollen.
Aber wie sagt man so schön: irgendwas ist immer. Und dem Segler ist es ohnehin nie recht zu machen.
Die Fahrt endet in einem weiten Sund im Norden der Insel Panagias. Ich hatte auf cruizerswiki.org gelesen, dass dieser Ankerplatz eine weit in die Küste hinein reichende Bucht mit einen kanalartigen Zugang ist.
Wenn an diesem zerklüfteten Küstenabschnitt nicht zufällig zwei kleinere Sportboote recht voraus in den lang gestreckten Felsvorsprüngen verschwunden wären, hätte ich die Einfahrt in den Sund erst suchen müssen.
Und tatsächlich, hinter der langen Zufahrt macht sich mit hellem türkisfarbenem Wasser ein See in einem Kessel auf. Dessen recht hohe schräge Wände sind mit Gebüsch, Dornensträucher und vereinzelten Olivenbäumen durchsetzt, wo vereinzelte schwarz-braune Ziegen auf dem ausgedörrten steinigen Boden umher wandern. Zusammen mit dem steinigen Ufern ist das ein Postkartenmotiv.
Aber ich bin nicht alleine, dieses Kleinod kennen offenbar auch andere und so langsam wächst die Zahl der Segelboote auf fünf an. Dazwischen eine größere Bavaria mit einem Elternpaar und 3 Pärchen der jüngeren Generation, die bei lautem Gesprächen, Gelächter und ebenso lauter Musik die Bucht unterhalten. Irgendwas ist immer.
Und deren Spaß bringt mich wieder zu dem Punkt, den ich echt unterschätzt habe!
Ich bin lange und allein unterwegs, ein single-handed-sailor und es gibt keinen an Bord, mit dem ich das Erlebte teilen kann.
Diese Bucht hier zum Beispiel ist so zauberhaft, sie lädt zum Träumen unter sternenklarer Nacht ein und ich genieße es auch soweit. Aber es ist nur der halbe Genuss, es schmerzt, dass Nicole, dass meine Familie, nicht dabei ist.
Nach dem letzten Schluck türkischen Kaffee hole ich am nächsten Morgen zeitig den Anker hoch und fahre weiter in Richtung Skopelos, mein nächstes Ziel in den nördlichen Sporaden auf dem Weg in Richtung Festland.
Skopelos ist eine Touri-Hochburg, cruizerswiki.org hatte gewarnt: „The town behind the waterfront is rather attractive, although the waterfront itself is knee-deep in tourist cafes and tavernas.“ (http://www.cruiserswiki.org/wiki/Skopelos)
Aber ich habe da lecker griechisch gegessen und muss mich erst einmal an die europäischen Touripreise gewöhnen.
Das 0,33-Bier der Kleinstbrauerei einer Kneipe am Hafenkai kostet 7€. Hätte ich den kleinen Bon zum ersten Bier gelesen, wäre ein zweites nicht mehr von Nöten gewesen.
Die gesamte Hafenzeile besteht aus einer Aneinanderreihung von Gaststätten, teilweise mit Livemusik griechischer Folklore, ansonsten gibt es Altbewährtes von Frank Sinatra.
Für die Beschaffung einer neuen Hydraulikeinheit verfasse ich noch eine E-Mail an eine Firma in Eckernförde, wo der Chef mir telefonisch Hilfe zusagt. Die nötige Bemaßung für ein Ersatzteile schreibe ich ihm auf, Originalteile dazu seien nicht mehr erhältlich. Ich bin gespannt.
Anschließend fahre ich weitestgehend unter Motor mangels Wind zur nächsten Insel, wo ich in Skiathios vor Anker gehe.
Wieder eine Touri-Insel, die Beschreibung von Skopelos trifft auch hier. Die Touristen, die von den Fähren ausgeworfen werden, bevölkern die Hafenmeile, es herrscht auch hier in den engen Gassen der Altstadt eine enge Betriebsamkeit.
Eine Besonderheit hat diese Bucht von Skiáthos. An deren Ende beginnt die Landebahn eines Flughafens, das Einfliegen der Ferienmaschinen über dem Wasser ist schon spektakulär.
Ansonsten der übliche Wasserspaß mit einer Menge Chartersegler und sonstigen Freizeitbooten, die sich alle an den einzigen Steg drängeln.
Der nächste Tag verspricht windig zu werden. Nach dem Start aus der Bucht wird es sogar sehr windig mit bis zu 24 kn, das ist eine tüchtige 6 bei vorausgesagten 3 – 4 Windstärken. Aber mit schmalem Tuch bin ich zwei Stunden in Richtung Festland unterwegs als der Wind unvermittelt nachlässt und zwar von eben noch 5 auf plötzliche 2 Beaufort.
Dabei bleibt es und motore mit meinem Notbehelf an der Pinne vor mich hin.
Da ich gegen 15.30 Uhr keine Lust mehr auf das Dieselgebrumme habe, mache ich in einer kleinen Bucht, die sich Vathykelou nennt, halt. Es ist wieder ein netter Ankerplatz. Davon beim nächsten Mal mehr.