Tag 154 - 158 (20.- 24.08.2023), Reise-Km 998 – 1229
Wetter: sommerlich heiß bis 33°C, eher schwachwindig, in Böen 3
Von Vulcano und der übervollen Bucht geht es weiter zur nächsten Insel nördlich davon, nach Lipari und dort in die Bucht vor der gleichnamigen Hafenstadt, um die Reserven aufzufüllen für die Überfahrt nach Sardinien in den nächsten Tagen.
Die Hafenstadt ist ein Besuch wert, keine Frage! Allein das Ankern in der Bucht vor den hohen Felsen in klarem Wasser ist ein Erlebnis, auch weil es mit Booten überfüllt und somit eng zugeht. Mit dem Dinghi und Einkaufswagen folgt der Landgang in die tolle Altstadt, wieder nicht unähnlich den bisher beschriebenen und natürlich auch eine Touristenfalle!
Dennoch, ich sitze nach Einbruch der Dunkelheit in einen der zahlreichen kleinen Straßenkneipen und bekomme zwei nette trockene Rote, dazu ein paar kalte Pizzastreifen, Erdnüsse und Chips, fast ein kleines Abendessen. Dabei lasse ich die Menschenmenge an mir vorbeiziehen, unterhalte mich einem netten italienischen Paar über die Reise und komme langsam wieder in den Genussmodus. Die Schwellung und die offenen Stellen der linken Gesichtshälfte gehen zurück, es bleiben ständig leichte Kopfschmerzen und empfindliche Zahnreihen links. Meine Genesung ist offenbar eine längere Veranstaltung und das drückt zusätzlich auf die Stimmung an Bord.
Die folgenden Tage fahre ich die sizilianische Nordküste ab, von Lipari nach Cefalù , wo ich kurz vor Mitternacht den Anker am Badestrand fallen lasse. Die Nacht wird nicht nur wegen des Schwells unruhig. Ein Livekonzert einer Hard-Rock-Band nahe am Ankerplatz und anschließend Technomusik aus einer Discothek daneben bis 03.00 Uhr verderben mir die Laune, mir diese Stadt anzuschauen. Es geht weiter nach Palermo, wo ich vor dem Hafen eine ganz ruhige Nacht verbringe, geht doch!
Zu dem obigen Bild ist zu erwähnen, dass ich auf den iPads, wo u.a. die Navigations-App Nacionics läuft, beim Durchforsten der verschachtelten iOS-Menüs unter Bedienungshilfen das Feature der Farbumkehrungen gefunden habe und siehe da, Navionics ist auch nachts zu gebrauchen. Ich war schon am überlegen, ob es Folien zu kaufen gibt, die man vor das Display klemmen kann, denn Navionics ist selbst in der dunkelsten Einstellung des Displays nachts kaum zu genießen, weil schlicht zu grell. Dann noch mittels Kurzbefehl die Farbumkehrung auf die Hometaste gelegt (3x drücken = Farbumkehr) und schon bin ich wieder ein Stück zufriedener, so einfach kann es sein.
Es zeichnet sich ab, dass die nächsten Tage schwachwindig werden, ich brauche aber für die ca. 180sm lange Überfahrt nach Sardinien tüchtigen Wind und den möglichst nicht von vorn.
Erst für das Wochenende kündigen sich zwischen Freitag – Sonntag für den ca. 40 Stunden langen Törn ausreichende Windverhältnisse mit wenig Flauten an, ich kann vorwiegend Halbwind- und achterliche Kurse fahren.
Der Ankerplatz vor der Marina Arenella ist nördlich vom Industriehafen Palermo und damit eher als Stadtrand der Millionenmetropole zu sehen. In der App „Navily“ überwiegen die negativen Beschreibungen zu Palermo, die Hauptstadt der Autonomen Region Siziliens sei dreckig, stinkig, zugemüllt, laut, stickig, hässlich und habe neben einigen Sehenswürdigkeiten aus der wechselhaften Geschichte (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Palermo) als Gesamtbild nichts Bezauberndes zu bieten.
In einem Telefonat mit Olli bestätigt mir der Segelfreund dieses Szenario, ich komme zum Schluss, dass die Stadtbesichtigung ausfallen muss.
Dennoch muss ich von der Marina Arenella etwas zwei Kilometer zu einem Bootsladen laufen, das Ventil des Polyform-Kugelfenders hat das letzte Lüftchen ausgehaucht, ich brauche Ersatz.
Dieser Fußmarsch beeindruckt mich, nicht nur wegen der Hitze von 33°C (im Schatten), der stehenden Luft in den Straßen und diesem chaotischen Autoverkehr, in dem man als Fußgänger am ganz unteren Ende der Nahrungskette steht, sondern auch wegen des Mülls, der überall an den Straßenrändern, in den wenigen Grünflächen und den Häusernischen liegt und dort der eigenverantwortlichen Zersetzung anheim fallen soll.
Nach vielen Städten der ganzen Reise, auch in den Ländern, die nicht zu den Reicheren gehören, komme ich zum Schluss, dass Palermo, zumindest in diesem Randbezirk zu den dreckigsten Ecken meiner bisher besuchten Länder gehört.
Mit dem Marinero im Yachthafen komme darüber ins Gespräch und er versucht mir zu verdeutlichen, dass es viele Gründe für die Vermüllung Palermos gibt. Zum einen ist die Selbstverwaltung der Insel, Rom schere sich nicht um den Dreck Siziliens. Dann sei es schlicht sizilianische Mentalität, alles einfach wegzuwerfen, Das sei fast Tradition, man lebe nur für den heutigen Tag, dieser sei ausgiebig zu genießen und außerdem bezahle man Steuern. Wohin allerdings diese Gelder versickern, wisse keiner so genau, man interessiere sich nicht dafür, es sei wie es ist.
Dafür habe man die beste europäische Küche, schwört er und schreibt mir sogleich ein Lokal eines Bekannten auf, dass mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Mich macht das sprachlos und unser Verständnis von Nachhaltigkeit erscheint absurd!
Mein Fenderventil bekomme ich nicht, dafür gönne ich mir in der Nachbarschaft in einem kleinen Café einen hervorragenden Cappuccino und dazu ein noch leckeres Hörnchen mit einer Mandel-/Apfelfüllung, leicht angewärmt. Sie können es halt und man muss den Moment genießen!
Von Palermo startet die „Lotus“ weiter nach San Vito, das wird der Absprung nach Sardinien. Auf der Fahrt fasziniert mich die teilweise steil aufsteigende Küstenlinie wohl vulkanischen Ursrungs. Solche Formationen und die vielen Küstenstädte mit den teils kilometerlangen Sandstränden locken Urlauber nach Sizilien.
San Vito soll den längsten und schönsten dieser Strände besitzen. Und vor diesem Strand lasse ich, schon wieder bei Dunkelheit, den Anker neben einer ganzen Reihe von Segelbooten fallen.
Wie schon die Tage davor, schau ich mir die Wetterberichte genauestens an und es zeichnet sich eine nahezu durchgängige Winddichte für 40 – 50 Stunden ab Freitag Vormittag ab, mein Starttermin.
Letzte kleine Arbeiten am Boot, Diesel (2,18€ !) und Wasser bunkern in der Marina San Vito Lo Capo, das Dinghi auf das Vordeck schnallen und dann geht es nach Norden, nach Sardinien. Und Norden ist eine gute Richtung, da irgendwo liegt mein zu Hause.