Tag 61 - 64 (19.05. - 24.05.2023) Wetter: warm und sonnig, bis 27°C, wenig Wind
Nach dem Ankeraufholen in der Bucht der Insel Luka Drvenik fahre ich unter Motor weiter in die nächste einsame Bucht am Festland, in die Uvala Borovica . Leider ist kein Wind, die See ist glatt bis leicht gekräuselt. Da Motorfahrten wenig Spaß machen, finde ich nach etwa 10 sm diese spektakuläre Felsschlucht, wo ich mich mit Anker und Landleine in dem glasklarem Wasser festmache. Die Freunde über die Einsamkeit währt nicht lange, eine schweizerische Herrencrew auf einem Katamaran hat auch den Revierführer gelesen und macht später nahe der „Lotus“ fest.
Die achtköpfige Crew ist nett, keine Frage, man angelt, badet und vergnügt sich erst mit dem übermotorisierten Schlauchboot und später bei gemütlichen Beisammensein auf dem breiten Heck des Doppelrumpfbootes. Die steilen Steinhänge der schmalen Bucht wirken wie ein Verstärker mit Echo.
Ich mache mich früh morgens nach Norden auf in die nächste Bucht, dieses Mal in die Bucht vor der Altstadt von Primosten unterhalb einer Anhöhe mit einer riesigen Madonnenfigur.
Der Bereich der Ankermöglichkeiten in Stadt- und Strandnähe ist mit kostenpflichtigen Bojen ausgelegt, ich halte etwas mehr als den nötigen Abstand und liege entspannt abseits und genieße die Aussicht und das warme Wetter.
Mein Lieblingsmarineautor Thomas Käsbohrer (s. millemari.de), der sich in seiner letzten Veröffentlichung dem Phänomen der in die Ruder von Segelbooten beißenden Orcas vor Gibraltar angenommen hat, veranlasst mich zur Wanderung zu dieser Madonna.
Käsbohrer schreibt in seinem Reiseblog, dass italienische Truppen im II. Weltkrieg die Inselstadt Primosten zerstörten, eine italienische Brigade allerdings zuvor den Pfarrer der Stadt Primosten vor diesem Angriff warnte und dieser viele Bewohner so vor dem sicheren Tod bewahrte. Aus Dankbarkeit errichteten die Einwohner diese riesige italienische Heiligenfigur „Lady of Loreto“ auf der Anhöhe.
Der Weg auf den Berg unter sommerlicher Temperatur mit teils 18-prozentiger Steigung lohnt sich, der Ausblick in die kroatische Inselwelt und auf Primosten nimmt einen gefangen.
Vor der Besteigung der Anhöhe mit der Heiligen wandere ich in die Nachbarbucht Kremik, die mit einer großen Marina nahezu ausgefüllt ist. Ich brauche für die Ankerkette neue Markierungselemente, farbige Gummisteinchen, die in die Kettenglieder geklemmt werden, um die benötigte Kettenlänge beim Ankern stecken.zu können.
Ich hatte vor der Reise über ebay-Kleinanzeigen zusätzliche 30 Meter verzinkte Ankerkette erworben und die vorhandene Kette damit auf 60 Meter verlängert.
Es stellt sich heraus, das dieses Erwerb dem sehr salzhaltigem Wasser des Mittelmeeres nicht gewachsen ist und im Gegensatz zur alten Kette nunmehr rostet und beim Aufholen des Ankers das Vorderschiff mit rostbraunen Flecken bespritzt.
Deshalb habe ich die Kette umgedreht, das gute „alte“ Teilstück ist nun der erste Strang, der in das Wasser geht, es stimmen allerdings die Markierungen der Längen nicht mehr. Der Versuch, die Plastikeinsätze umzustecken, scheitert an deren Sprödigkeit durch jahrzehntelangen Salzwassereinfluss.
Ich erwerbe also in der Marina Kremik nach 2,5 km Fußmarsch 5 Tüten mit verschiedenfarbigen Gummistückchen für jeweils 8 € (Inhalt jeweils 8 Stück) und wundere mich schon nicht mehr über die kroatische Preisgestaltung.
Auf der Fahrt in die nächste Bucht der Insel Zirje gehe ich an dessen östlichen Zipfel vor Anker und freue mich über die Einsamkeit.
In der App „Navily“ ist zu dieser Bucht ein Beitrag enthalten, der die Ruhe, den guten Ankerhalt und die tolle Aussicht auf einem Hügel mit Resten von Bunkeranlagen aus dem Kroatienkrieg erwähnt.
Mit dem Dinghi erkunde ich den kleinen Strand nahe der „Lotus“ und bin entsetzt über den angelandeten Plastikmüll inmitten einem Wall aus Holzresten und getrocknetem Seegras. Es scheint sich in den sich gegenüberliegenden Buchten die Hinterlassenschaften aus Plastikflaschen jeglicher Art, unzähligen Plastikverschlüssen, Badelatschen, zersplitterte Plastikkisten, Reste von Stühlen, Festmacherleinen und vieles mehr über Jahre wie in Trichtern anzusammeln.
Ich bade an dem mit seinen schneeweißen Kieselsteinen und glasklarem Wasser trotzdem einladenden Strandabschnitt und kann nicht fassen, wie wir dieses Geschenk derart misshandeln.
Am Nachmittag erklimme ich die Anhöhe mit den teils zerbombten Ruinen aus dem Kroatienkrieg 1991 und nach dem Erlebnis mit dem Plastikmüll bin ich frustriert, der Mensch ist offenbar nicht lernfähig. Einer Gedenktafel, leider nur in kroatisch, entnehme ich, dass es auf diese Verteidigungsanlagen mit seinen Bunkern offenbar zu einem Angriff am 14./15. September 1991 gekommen ist.
Von den Mauerresten eines Militärgebäudes habe ich wieder eine phantastische Aussicht auf die Inseln der kroatischen Adria und die kleine „Lotus“ ist nicht mehr allein, es entdecken auch andere Segler diese nun nicht mehr einsame Bucht.
Tags darauf fahre ich weiter entlang der Küste von Zirje und dann noch Norden zur Insel Kakan in die Bucht Potkuĉina, wo nach und nach einige Charterboote einlaufen und an den Bojen festgemacht werden.
K.-H. Beständig weiß in seinem Revierführer zu berichten, dass es mit dem Betreiber des Bojenfeldes im Jahr 2019 eine Auseinandersetzung gegeben hat, die mit einer Sachbeschädigung an einem Segelboot endete. Die betroffene Yacht ankerte außerhalb des Bojenfeldes in der gestatteten Entfernung von mehr als 150 m und die Crew war nicht willens zu bezahlen und folgte auch der Aufforderung nicht, „sein“ Revier zu verlassen. Unbekannte warfen dann nächtens eine Plastiktüte mit Altöl auf das Teakdeck der Yacht.
Ich habe Anker in sicherer Distanz zum diesem Bojenfeld gesetzt und werde vorhin Zeuge, wie der Bojeneigner auf seinem Schlauchboot mit Steuerstand und großem Hund als „Bugzierde“ zwei Kats an den Bojen abkassiert und dann zu einem weiteren Katamaran in meiner Nachbarschaft weiterfährt, der in gleicher Höhe wie die „Lotus“ ankert.
Zum Mithören ist die Distanz zu groß, aber ich kann erkennen, dass der Eigner des Doppelrumpfseglers von dem Bojenbesitzer aufgefordert wird, die Bucht zu verlassen. Der ältere Skipper weigert sich kopfschüttelnd und geht mit einer abwertenden Handbewegung einfach in das Innere des Kats. Der Kassierer motort ab; recht so, man darf sich nicht alles gefallen lassen
Langsam neigt sich dieser sonnige Tag dem Abend entgegen und meine Gedanken sind oft zu Hause. Deshalb ist der folgende Sonnenuntergang meiner Mutter gewidmet, die sich gerade kuriert. Sie freut sich immer über die Bilder in diesem Blog und ich möchte dir, Christel, eine gute Besserung wünschen! Bleib tapfer, wir sind zäh!