Tag 145 – 148 (24. - 26.08.2022) Wetter: eher grau, trüb, wechselhaft, bis 28°C, Wind bei 3 - 8 Bft
Mit Franz und Charlie hatte ich am Abend des 23.08. besprochen, dass wir am folgenden Tag, also Mittwoch, weiter nach Osten in die Bucht Boúfalo fahren, von wo ich dann westwärts zum Festland Richtung Rafina aufbrechen wollte.
Wir sind dann auch gemeinsam gegen 12.50 Uhr aus dem Hafen Erétria abgefahren und hatten leichten achterlichen Wind. Auf diesem raumen Kurs habe ich die Genau herausgeholt und konnte so recht ordentlich segeln.
Franz fährt weit voraus und hat nur das Groß herausgeholt.
Nach etwa 5 sm realisiere ich eine grau-schwarze Wand, in die er seine „Serena“ hinein steuert und dabei erheblich Lage macht. Ich hatte nicht lange Zeit, mich zu wundern, wo er den vielen Wind her hat.
Die Sturmwalze erreicht auch die „Lotus“, die Szenerie verändert sich schlagartig.
Ich bin inmitten von aufgetürmtem Wasser, massiven Wind, der sich um 180 dreht, also auch mitten in diesem Sturmkessel. Das Boot liegt Backbord fast auf der Backe, alles unbefestigte im Boot fliegt herum.
Es muss schleunigst die Genua rein! Die klemmt und lässt sich nicht einholen und schlägt in den Böen von über 27 kn kreuz und quer. Ich mache den Motor an und kann das Boot in den Wind bekommen. Das gelingt nur kurz, der Autopilot arbeitet nicht.
Ich lasse die „Lotus“ treiben und hangele mich nach vorne. Am Bugkorb stelle fest, dass sich die Bergeleine der Genua wieder vertüdelt hat, dieses Mal unterhalb der Trommel an der Stagbefestigung, keine Chance, dieses Segel so einzuholen.
Die Bergeleine ziehe ich ab und kann mit äußerster Kraft die Genua per Hand einrollen und mit dieser Leine sichern. Ich bin klitschnass durch Schweiß, See und Regen.
Zurück im Cockpit stelle ich fest, dass aus dem Motorraum Qualm aufsteigt, es ist alles vernebelt. Also Maschine aus!
Der Windanzeiger gibt im Display 33 kn aus, ich zerre das Groß mit nur kleinem Dreieck heraus, die „Lotus“ stabilisiert sich.
Mein Entschluss: zurück zum Ausgangshafen mit Wind und Welle im Rücken bei mittlerweile 39 kn auf dem Display (= scheinbarer Wind). So fühlt sich also die Sturmstärke 8 an!
Wenige Minuten später meldet sich über Funk die Hellenic Coast Guard und will wissen, wie es mir geht.
Die müssen meinen Schlingerkurs auf AIS gesehen haben.
Ich kann den Diensthabenden davon überzeugen, dass es mir gut geht, der Motor und ein Segel zwar ausgefallen sind, ich aber keine Hilfe brauche.
Ich erkläre ihm, dass ich mit der restlichen Segelfläche zurück in den Hafen Erétria und dort vor Anker gehe.
Ich muss meine Handynummer hinterlassen und man wird auf mich aufpassen.
Kurz danach meldet sich der Hafenkapitän von Erétria über Funk, der sich auch nach meinem Befinden erkundet und jede Unterstützung zusichert. Man sorgt sich, wie schön.
Ich brauche noch 1,5 Stunden bis zur Hafeneinfahrt, die Sturmfront rauscht über mich durch nach Westen ab und es wird wieder deutlich ruhiger, so ruhig, dass ich nur mit dem letzten Hauch Wind im Groß in der Marina Erétria den Anker zwischen einigen Seglern fallen und das Groß einholen kann.
Kurz danach meldet sich der Hafenkapitän über Handy und möchte, dass ich an Land komme, um den Vorfall zu klären.
Ich habe eben im Internet nachgelesen, dass seit 2020 verschärfte Bestimmung für Rettungseinsätze gelten. Die Hellenic Coast Guard weist darauf hin, dass Wassersportler, die trotz Wetterwarnungen der griechischen Behörden und Wetterdienste auslaufen, an den Kosten möglicher späterer Rettungsaktionen beteiligt und mit Geldstrafen belegt werden können.
Das Dinghi hat sich in dem Sturm mehrfach überschlagen, dabei ist die Sitzbank abgefallen und ein Ruderblatt der Riemen fehlt. Ich kann dem Hafenkapitän erklären, dass ich damit nicht rudern könne und er belässt es dabei, will aber wissen, ob ich gut versorgt bin und bietet mir nochmals jegliche Unterstützung an.
Kurz vor diesem Telefonat schwimmt ein junger Mann mit Schnorchel und Brille auf die „Lotus“ zu und ruft die Frage, wie es mir geht und was passiert ist.
Ich lasse ihn an Bord klettern, dieser sportliche Schwimmer heißt Riley, stammt aus dem Norden der USA und ist mit seiner deutschen Freundin aus Bremen auf einer holländischen Ketsch unterwegs, die in etwa 200 m Entfernung auch vor Anker liegt.
Riley hat mit Spannung die Funkgespräche zwischen mir und der Coastguard in der Sturmwalze verfolgt und wolle sich erkundigen, ob ich irgendeine Hilfe brauche.
Wir unterhalten uns eine Weile angeregt und versuchen die Ursache des qualmenden Motors herauszufinden.
Es zeigt sich, dass die Abgasführung hinter der Motorwand undicht ist, also kein großes Problem, das kann ich mit Bordmitteln reparieren.
Riley schwimmt wieder zurück und wir tauschen Telefonnummern aus.
Gegen 17.30 Uhr kann ich mich der Abgasführung widmen.
Als ich mit Klaus-Peter Feuerhahn im vergangenen Sommer in Rostock mit dem geplatzten Abgaskrümmer während der Hansesail festsaß, hatte ich mir von Bukh-Bremen das Ersatzteil per Express in diese überteuerte Marina „Hohe Düne“ schicken lassen. Die Lieferung kam mit einem recht langen Abgasschlauch, von dem wir nur ein kleines Teilstück verwendeten.
Das Reststück kann ich einbauen. Ab der Abgasübergabe hinter der achterlichen Motorwand nehme ich das marode Stück ab und trenne es oberhalb nach ca. 60 cm. Als Kupplungsstück dient dort eine geköpfte Silikonkartusche, deren Umfang ich mit Faserklebeband (Gaffa) ich auf das geforderte Innenmaß von 52 mm um 2 mm erweitere.
Das alles zusammengestöpselt und verschraubt hält so gut, dass der Motor nicht mehr in den Innenraum qualm!
Warum nun gerade der Abgasschlauch exakt mit dem Sturmereignis aufreißt, erklärt sich mir nicht, wahrscheinlich hat da wieder Murphey seine Hand im Spiel!
Während der Arbeiten ruft mich der Hafenkapitän ein weiteres Mal an und weist mich darauf hin, dass bis Freitag Vormittag mit weiteren schweren Wettern zu rechnen sei und ich möge bis dahin in seinem Hafen verweilen, er habe eine Fürsorgepflicht.
Das bringt mich zum Thema Wetterwarnungen.
Etwa 10 Minuten vor der Sturmfront warnt die Coastguard über Funk von diesem Ereignis, viel zu spät, um adäquat zu reagieren.
Dann sind die Wetterdienste von Windfinder und Windy natürlich eingesehen worden, in deren Wettermodellen wurde mit nordwestlichen Winden von um die 3 Bft. gerechnet, was ja anfangs auch stimmte.
Ich kann später noch mit Franz telefonieren, der mit Charlie wohlbehalten in Boúfalo angekommen ist, aber auch seine Mühen hatte.
Er, der schon viele Jahre die griechischen Inseln bereist, zeigt sich überrascht über dieses Ereignis, das sei ungewöhnlich. Wir wünschen uns gegenseitig gute Weiterreise und werden in Kontakt bleiben.
Völlig fertig von dem Tag brauchte ich Schlaf, den ich auch bis 08.30 Uhr genossen habe.
Das Wetter am Donnerstag ist wechselhaft, zuweilen sieht es schwer nach Regen aus, es bleibt aber trocken. Schade, die Salzkruste auf dem Boot kann ich bald mit dem Spachtel abheben.
Es gibt einige andere Sachen zu reparieren. Das Dinghi hat es ja etliche Male im Sturm umgeworfen, es ist rotiert und die Leinenverbindung zur „Lotus“ ist zigfach eingedreht. Mittels Tampen habe ich eine Notbank hergestellt und wenn man darunter eine Putz einklemmt, sitzt es sich sogar recht bequem beim Rudern.
Die eine Hälfte des Motorkegels, ein Plastiksteckteil, was in den Mast zu hängen ist, wenn trotz gesetzter Segel der Motor mitläuft (man macht sich so als Maschinenfahrzeug kenntlich) wird die neue Paddelfläche. Mittels einer schmalen Edelstahlschiene und dem Unterteil einer Rutenhalterung ist das Paddel wieder gebrauchsfähig.
Das Problem mit der Rollfock hat die gleiche Ursache wie schon beim Queren der Seegrenze Türkei/Griechenland mit den 7 Bft. Die Trommel, die die Bergeleine einhaust, rotierte selbstständig und die Leine dreht sich unter Zug anderweitig ein und verklemmt.
Der Sicherungsring, der die Trommel an einem Stiift arretiert, ist in dem Gekachel offenbar abgeflogen. Ein Teil einer Batteriepolklemme als Verlängerung schafft eine neue Halterung für den Sicherungsstift.
Mehrere Test der Genua unter Anker lässt sie tadellos laufen, die Rollfock muss sich nur im Echtbetrieb bewähren.
Am heutigen Freitag kann ich das Handling der Genua ausgiebig testen, sie läuft einwandfrei und leichtgängig. Auf dem Weg nach Boúfalo geht nur achterlicher Wind, der mit Erreichen der Bucht auch einschläft.
Diese winzige Ortschaft mit den wenigen Straßen und einer hübschen Uferzeile ist wieder einer der kleinen Perlen für Segler an griechischen Küsten, fast vollständig geschützt liegt man entspannt in einem Kessel der umliegenden Berge, ein beeindruckendes Panorama!
Es wird auch zunehmend sonniger und so genieße ich den Nachmittag in der Sonne bei einer leichten Brise.
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