Reisetag 77 – 80, 16. - 20.06.2022 Donau-Km 990 - 678 Wetter: zumeist sommerlich heiß, bis zu 32°C, windig bei 1 - 2 Bft., am 18.05. frischt es mit 4 Bft. auf, die Folgetage sind wieder sommerlich heiß
Der zweite Tag im Eisernen Tor ist schon wieder überwältigend. Diese schroffen hohen Abschnitte, steil in das Wasser ragend mit Wassertiefen von 62 m und mehr nötigen einem Respekt vor den Naturgewalten ab, denn die Donau hat sich in den Jahrtausenden ein Bett quer durch die Karparten geschaffen. Diese gewaltigen Höhen, das zuweilen eingeschnürte Korsett des sonst so breiten Stroms, man kann sich nicht sattsehen.
Dabei übersehe ich ein touristisches highlights, die Trajan-Tafel.
Diese Tafel soll aus dem Jahr 103 stammen und den römischen Kaiser Trajan huldigen, der eine Straße durch die Schluchten errichtet hat, um seine Truppen in den Kampf gegen die Daker zu führen.
Vladimir hat mir versichert, dass diese Tafel in der Felswand ein fake ist, die echte Trajan-Tafel sei im Museum Belgrad.
Dafür kann man das König Decibel – Monument nicht übersehen. Die Statue des Decebalus ist laut Wikipedia von einem rumänischen Geschäftsmann in Auftrag gegeben worden und zeigt den Dakerkönigs Decebalus. Die Meißelarbeit ist mit 55 m die höchste Felsskulptur in Europa.
Ausklarien Serbien in Kladovo/Serbien
Der Pontonanleger mit einzigen Möglichkeit, um aus Serbien auszuklarieren liegt auf der rechten Donauseite, in der Strömung mit 2,5 kn, dazu weht ein Wind von 4 Bft. Wind in gleicher Richtung, So wird das anlegen gegenan zum Geduldsspiel und ich brauche drei Versuche, um endlich festzumachen, wobei sich der Typ auf dem Ponton als unfähig erweist, die Leine zu fixieren.
Er versucht, mir auf englisch zu verdeutlichen, dass er der Verwalter des Pontons sei und nunmehr für das Festmachen 23€ verlange.
Meine Erwiderung, dass das doch ein Zollanleger sei, bestätigt er mit dem Hinweis, dass der Zoll auf dem Privatanleger auch ein Büro habe und man werde die Beamten dann anrufen. Ich erzürne mich dem Besitzer, der eilends von seinem Angestellten angerufen wird, Mein Argument, dass es keine andere Möglichkeit zum Ausklarien aus Serbien gibt, quittiert er mit dem Hinweis „take it or leave it!“
Ich bezahle die happige Liegegebühr und bin verstimmt. Mit den Serben bin ich erst einmal durch!
Nach einer Stunde erscheint der Zollbeamte, der den Pontonbesitzer offenbar schon länger kennt, macht einen Stempel in den Reisepass, kopiert Reisepass, Bootspass, Einreisedeklaration und Crewliste und entlässt mich damit in die EU.
Einklarien in die EU in Drobeta-Turnu Severin (Rumänien)
Damit wechsele ich die Seite der Donau zum linken Ufer, um schräg gegenüber die Einwanderungsbehörde mit Zoll auf der europäischen Seite zum Einklarieren aufzusuchen.
Das gelingt nur eingeschränkt, denn keiner dieser Pontons ist sichtbar deklariert, nur bei dem Restaurantsteiger ist es klar.
Zu Tal davor sehe ich Behördenboote, offenbar die Grenzpolizei und ein Beamter ruft mir beim Anfahren seines Anlegers zu, dass ich beim Restaurantanleger festmachen müsse. Das tue ich, erkläre dem verdutzten Restaurantchef diese Anweisung, nehme meine Papiere und marschiere zum Grenzpolizeianleger, wo ich auf den Beamten von eben in univil (Jeans, Dienstpullover, mit dazwischen heraushängendem T-Shirt) treffe.
Mittels einer Übersetzungs-App, er spricht kein englisch und ich kein rumänisch, wird mir klar gemacht, dass ich am Restaurant vorbei zu einem der vorderen Anleger, wo sich eine große Radarantenne dreht, erscheinen muss.
Dort gehe ich hin und stelle fest, dass beim Zoll alles verwaist ist, Bildschirmschoner und kleine Schreibtischlampen in den Büros beleuchten die verwaisten Räume schemenhaft.
Es ist mittlerweile 21.00 Uhr, und bestelle im Restaurantponton etwas zu Essen und vom trockenen Roten, sitze sehr entspannt mit dem Boot im Rücken und bin wie andere Gäste einigermaßen erstaunt, dass dreißig Minuten später zwei Uniformierte an meinem Tisch erscheinen, die wünschen, dass ich ihnen umgehend folge.
Der eine ist der Univile, das T-Shirt ist mittlerweile in der Hose, und ein korrekt gekleideter Beamter des Zolls.
Zu dritt gehen wir zu einem weiteren Ponton, hinter dem mit der Radarantenne, und es stellt sich heraus, dass hier der Zoll untergebracht ist. Dort bekomme ich die wieder Stempel und die Gestattung zur Weiterfahrt in der EU.
Der Restaurantchef hört sich noch meine Geschichte an, es ist mittlerweile 23.00 Uhr und er löscht die Lichter seines Pontons. Ich darf dort für die Nacht festgemacht liegen bleiben.
Zwischenzeitlich hat mit Vladimir ein link über die Serben geschickt, darin ist auch das Massaker in Novi Sad erwähnt:
https://srbin.info/de/drustvo/da-nije-bilo-srba-svetski-poredak-bi-bio-danas-mnogo-drugaciji/
Die Serben sind schon ein bemerkenswertes Völkchen!
Zu dem Hafen Kostolac konnte ich im Internet kaum etwas finden, nur eine Ausarbeitung zur „Deutsche Rohstoffsicherungspolitik in Jugoslawien 1914—1944“ (https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1976_3_2_schoenfeld.pdf), wo es heißt, dass bis zum September 1944 dort in einem Braunkohlebergwerk auch kupferhaltiges Erz gewonnen werden sollte. Dazu bauten die Nazis ein Kraftwerk, ein Hafen sowie umfangreiche Gleiszubringer. Letztlich scheiterte es Widerstand der Alteigner, Personalmangel und an der Kriegsentwicklung.
So liege ich als Deutscher in einem von Nazis gebauten Hafen mitten in Serbien. Skurril!
Die beiden Folgetage mache ich Kilometer, die Donau wird breiter, es folgen zwei Schleusungen und zwar in den größten auf diesem Weg Djerdap I und II (Schleusen Eisernes Tor 1 und 2). Die Tröge der ersten Schleuse sind 310 m lang und 34 m breit, es wird in zwei Abschnitten à 16 m Fallhöhe geschleust und ein Schleusenwärter am ersten Trog verlangt eine Crewliste und ein Rapport. Ich mache ihm klar, dass ich kein Rapport habe und auch nicht wisse, was da drin stehen soll und er ist mit der Liste zufrieden.
In der Schleuse werde ich von gleich zwei Frachtschiffer angesprochen, ein Rumäne errät, wohin die Reise geht und ist beeindruckt, ein anderer ruft: „hey, german Flagge, good luck!“
Irgendwie war ich der Ansicht, dass ich alle Schleusen hinter mir habe. Ich stelle fest, dass ich schlecht vorbereitet bin (nicht das erste Mal!) und zähle mit den Djerdap-Schleusen nach dem Eisernen Tor nun 73 und 74. Das war es jetzt aber bestimmt!
Am Abend des 20.06. (Fahrttag 80) will ich wieder im Strom an der Stadt Lom (Bulg.) ankern und lasse dazu das Geschirr in einer kleinen Einbuchtung unterhalb des Industriehafens fallen, bin aber mit der nahen Untiefe mit dem Ankerplatz nicht zufrieden. Mit der motorisierten Ankerwinsch will ich die Kette einholen, aber die Bedienung mittels der Taster am Boot oder Fernbedienung scheitert, ich höre unter Deck im Bug nur das Relais klacken. Es nutzte nichts, ich muß die 15m Kette plus Anker und all dem Kraut, dass sich darum gewickelte, per Hand nach oben ziehen und stelle fest, dass mir ein Kettenstopper fehlt.
Da ich so in der Strömung nicht ankern kann, entscheide ich für die Übernachtung in den Hafen einzufahren und den Anker dort einfach fallen zu lassen, ohne Strömung muss er nicht zwingend eingegraben werden. Mittlerweile ist es 21.00 Uhr und erst nach dem Essen gehe ich an die Reparatur.
In der Eignerkoje im Bug ist die Elektronik und der Motor hinter einer Verkleidung untergebracht und am Motor entdecke ich an einer der drei Kabelzuführungen (ähnlich Batteriekabel) alte Abschmelzungen, offenbar durch Überspannung verursacht. Die Schraubenmutter, die den Kontakt hält, lässt sich per Hand abdrehen.
Nach Reinigung der Verrußungen , Erneuerung von Scheibe und Mutter, arbeitet der Motor der Ankerwinsch wieder einwandfrei. Es ist mittlerweile 01.00 Uhr.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen bekomme ich Besuch von Beamten der Hafenpolizei und des Zoll in einem roten Boot und muss mich erklären zu dem offenbar verbotenen Aufenthalt in dem Industriehafen. Der Herr vom Zoll besteht darauf deutsch zu sprechen, seine Tochter studiere schließlich in Münster/Westfalen und mit der eben beschriebenen Notlage ist er zufrieden, man lässt sich die Durchreisepapiere zeigen, ich reiche eine Visitenkarte und falls ich die Nacht am Ponton bleiben wolle, werde er ein Bier ausgeben.
Mein Tagesplan steht aber schon anderweitig fest: Kilometer machen.
Die Donau wird zu einer unfassbar weiten Wasserlandschaft, die scheinbar nirgends endet. Überall sind Inseln, Abzweigungen und Ausbuchtungen; und zuweilen zieht es sich.
Heute begegnet mir lediglich ein Frachtschiff und über kilometerlange Abschnitte sieht man noch nicht einmal die sonst so zahlreichen Angler, die manchmal in Camps ihrer Leidenschaft nachgehen.
Und der Strom, bei der heutigen Hitze von 32°C im Schatten ohne jeglichen Wind, ist spiegelblank und fließt scheinbar träge dahin. Scheinbar, manchmal gerät der elektronische Steuermann ins Straucheln aufgrund einer Serie von Strudeln eines sich verengenden oder vertiefenden Flussbettes, immerhin sind noch etwa 2 – 2,5 kn Strömung mit mir.
Die Selbststeuerungsanlage arbeitet übrigens so gut wie noch nie, der Aufwand in Kostolac hat sich gelohnt. Nur hin und wieder, eher ganz selten, knackt es im Heck in der Box der Hydraulikpumpe, dort wo die Geberstange vom Ruderquadranten durchläuft. Bei Gelegenheit…
Die Nacht zum 21.06. verbringe ich bei Strom-Km 678 an einem Hafenponton der bulgarischen Kleinstadt Oreahovo, wo in der Nachbarschaft des Hafens Mais in Frachtschiffe verladen wird. Der Hafen dürfte auch schon bessere Zeiten erlebt haben.
Aktueller Standort:
Donaueinzugsgebiet, Rechte: TomGonzales, major revision by Ulamm in April 2016, CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0>, via Wikimedia Commons
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