Boúfalo – Lavrio – Aigina

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Boúfalo – Lavrio - Aigina, Tag 149 – 154 (27.08. - 01.09.2022)

Wetter: sonnig-heiß, bis 33°C, Wind bei 1 - 5 Bft. (alles dabei!)

Nach dieser entspannten Ruhepause in der Bucht von Boúfalo stehen zwei Pflichtveranstaltungen auf dem Plan: Versorgung sicherstellen, sprich Einkaufen, und Diesel bunkern.
Da die Stadt Rafina nicht nur zwei Häfen hat, sondern am Stadthafens auch ein Lidl, der nur 150 m fußläufig zu erreichen ist, mache ich nach etwa 20 sm wegen Flaute vorwiegend motorend dort halt.
Es ist ein Fährhafen mit der großen Öffnung zur Windrichtung NO. Ich werde auch nicht schlau, ich hätte mir denken können, dass da Schwell drauf liegt.
Das erste  Festmachen längsseits in einer Ecke schaue ich mir nur 10 Minuten an, dann lege ich wieder ab und gehe vor Anker, das möchte ich der „Lotus“ nicht zumuten!
Der braungebraunte Sonnyboy einer benachbarten Yacht lässt mich wissen, dass er auch nicht glücklich sei, aber wenn sein Freund in ein oder zwei Stunden zugestiegen sei, verlasse er den unruhigen Hafen. Er sei zuvor in den benachbarten und geschützten Fischereihafen eingefahren, da habe man ihn aber wieder verwiesen, pleasure-boots are not welcome!
Das war eigentlich auch mein Ziel nach dem Einkauf.

Vor Anker ist es zu ertragen, ich fahre mit dem Dinghi bis zu einer nahen Slipanlage und kann Einkaufen.
Der Wind lässt nach, die Nacht ist ruhig. An dem warmen Abend darf ich mich über die beleuchtete Silhouette erfreuen und erlebe dicht beim Boot direkt an der Pier eine Bikerhochzeit mit.
Zunächst fahren die wirklich fetten Harleys an der Hafenkante vor und lassen dieses typische tiefe 2-Zylinder-Gewummer mehr als ausreichend klingen.
Mit beginnender Dunkelheit wird die Szenerie mit LED-Strahlern wie am Filmset ausgeleuchtet und es beginnt offenbar eine Hochzeitszeremonie, untermalt übrigens mit dem City-Klassiker „Am Fenster“. Danach wird geherzt und geprostet, das Übliche.

Gleich am Morgen verlasse ich den auch wegen des ständigen Fährverkehrs unruhigen Hafen, und will weiter nach Süden.
Wie seit Tagen zumeist mit Flaute mit eingestreuten 2 – 3 Bft.-Windfeldern. Ich muss viel motoren und die Tankanzeige wandert stetig nach links.
Auf der Webseite cruiserswiki.org ist nachzulesen, dass die ca. 18 sm weiter südlich gelegene Olympic Marina von Lavrio nicht nur größere Ausmaße hat, sondern auch ein allumfassenden Service anbietet, u.a. auch eine Marinetankstelle.
Allerdings wird auch vor den horrenden Preisen gewarnt.

In der Plottersoftware ist eine kleine Bucht vor der Olympic Marina eingetragen, hinterlegt mit einer Luftaufnahme eines Ankerfeldes vor der Marina, also mein Ziel.

Am späten Nachmittag treffe ich ein, ankere in einem freien Bereich des Bojenfeldes zwischen anderen Seglern und Fischerbooten und fahre mit Schlauchi zur Hafenkante der Marina.
Wer die Marina „Hohe Düne“ in Rostock-Warnemünde kennt, der kann sich den Umfang dieses Marinestützpunktes vor den Toren Athens vorstellen, auch Preisgefüge und Ambiente ähneln sich, wobei ich nicht nachgeschaut habe, ob hier die Toiletten und Duschen auch mit Marmor ausgelegt sind.

Ich finde auch ein shop für Bootsbedarf, der hat aber leider schon geschlossen. Beim Schlendern unter den Arkaden des nächsten Gebäudeensembles höre ich aus einer offenen Ladentür deutsche Fernsehunterhaltung.
Ich schaue mich um und wenig später spricht mich eine junge Dame an, Judith wie sich später herausstellt, und fragt mich zunächst auf englisch, ob mir zu helfen sei.
Ich antworte, dass ich Teile für mein lädiertes Dinghi brauche und wir stellen fest, dass wir auf deutsch weiterreden können.
Sie sei wie Corinna, die andere nette Angestellte der deutschen Chartergesellschaft InfinityYacht.s, aus Norddeutschland und wir unterhalten uns angeregt, ich bekomme einen Cappuccino.

Judith schlägt vor, dass ich am nächsten Morgen nach dem Tanken in den Charterladen kommen soll, da sei der griechische Techniker der Firma auch da. Ich schildere das vordringlichste Problem der fehlenden Sitzbank (die Tampen sind am Hinterteil doch unbequem!) und sie will in schon mal über Handy informieren.

Nach dem Diesel bunkern (2,09€ je Liter) am nächsten Tag gehe ich hinüber zur Charterfirma und Eric, der griechische Techneker fragt nach ein paar Details zur Sitzbank, macht Reparaturvorschläge und reicht mir ein schmales und langes Brett Schiffssperrholz, Bootsleim, Spachtel, Schraubzwingen und Spannhölzer sowie eine Säge.
Damit kann ich arbeiten und so fertige ich eine neue Sitzbank an. Toller Service, vielen Dank euch!

Bevor ich mit den Sägearbeiten anfange, brauche ich noch meine Kladde mit den Maßen vom Boot, dass hinter der Tankstelle festgemacht ist.
Dort werde ich von einem Angestellten der Marina in einem forschen Ton angesprochen, demnach dürfe ich hier nicht liegen, ich habe mich offenbar noch nicht beim Hafenkapitän angemeldet und möge dieses schleunigst mit all meinen Dokumenten nachholen.
Ich erkläre, dass ich für eine Reparatur nur ganz kurzfristig festgemacht habe. Er verweist mich an einen Fingersteg gegenüber und meine Frage nach dem Preis für den Vormittag beantwortet er nach einem abschätzigen Blick auf die LM mit etwa 55 – 60€. Ich teile ihm meine Verwunderung mit. Er sei ein privater Unternehmer, „so take it or leave it!“ Das kenne ich schon.

Ich gehe mit der „Lotus“ sofort zurück in das Ankerfeld, fahre mit dem Schlauchboot zur Charterfirma zurück und leime das Sitzbrett. Für die Trocknungszeit fahre ich wieder zurück zum Boot, der Leim braucht mindestens vier Stunden zum Aushärten, besser 6, so schlägt Eric vor.
Auf der „Lotus“ ist es heiß, kein Wind, dafür aber 33°C.

Am späten Nachmittag rudere ich wieder in die Marina, hole mein Brett und verabschiede mich von den sympathischen Mädels. Eric ist leider nicht mehr da, auch ihm möchte ich danken!

Am Abend setze ich die neue Sitzbank ein. Mir gefällt sie!

Der folgende Tag führt mich in die Bucht von Khersonsos, dabei umrunde ich die Südspitze des Festlandes bei Sounion mit dem Tempel des Poseidon.

Ansonsten gibt es zu Khersonisos nicht viel zu berichten, außer dass es eine ziemlich geschaukelte Angelegenheit ist, die Bucht ist offen und es liegt ein permanenter Wind drauf, man muss es mögen.
In der Bucht mit zahlreichen Freizeitanlagen ankern Boote, deren Dinghi fast die Länge der „Lotus“ haben. Es gibt sie also doch, die 2-Klassen-Gesellschaft!
Dafür sehe ich zum ersten Mal beleuchtete Masten, wie schön!

Ich schreibe noch einmal meiner Versicherung wegen des defekten Hydraulikantrieb der Selbststeuerungsanlage und klage in der Email meiner Kundenbetreuerin mein Leid und meine Frustration darüber, dass deren Tochterunternehmen für Schadensregulierung nur sehr hakelig arbeitet und ein Prüfer die Anerkennung verweigert hat.

Schon am nächsten Vormittag auf der Fahrt zur Insel Aigina antwortet meine Kundenbetreuerin, per Mail, dass sie sich gekümmert habe und kurz darauf bekomme ich auch eine Email der Schadensabteilung mit der knappen Mitteilung, dass man das Angebot von Fa. OstseeNautik „ohne Präjudiz auf die Sach- und Rechtslage“ freigegeben habe.

Ich mache zunächst auf der Ostseite der Insel Aigina fest und es schaukelt schon wieder in dieser ebenfalls offenen Bucht.
Aber ich muss schleunigst die Bestellung/Empfang der Hydraulikanlage in die Wege leiten, Holger Schulz von OstseeNautic kann sie per Express an das Coral-Hotel in Athen, nahe der Marina Flisvos, schicken. Für die Abholung bittet das Hotel um eine Email mit allen Daten. Man antwortet umgehend mit der Zusicherung der Benachrichtigung.

Da dann die Schaukelei doch nervt, segele ich zur Westseite der Insel zur gleichnamigen Inselhauptstadt.
Dort telefoniere ich am Abend mit Tynke und Hidzer, die gerade aus der Türkei ausklariert haben und jetzt in einer Bucht auf Samos sind. Dort sitzen sie mit der „Nocht“ erst einmal fest, da der Meltemi ab morgen ordentlich kacheln soll und da möchte man nicht rein.

Das Ausklarieren habe sich nur mit einem Agenten realisieren lassen, das überteuerte Transitlog sei zudem falsch ausgefüllt und bestempelt worden und zudem fehle der Nachweis der Grauwasserentsorgung für die Türkei, man vermisse die so genannte „bluecard“.
Da das Prozedere über einen Tag in Anspruch nahm und einiges an Geld gekostet habe, sei man ziemlich frustriert.
Ich habe das Gefühl, dass die Türkei uns nicht wiedersehen will und bin froh, dass ich in Çanakkale bei meinen Behördengängen mit dem überbewerteten Transitlog zur Ausreise keine Probleme hatte.

Ich verbleibe in der Bucht der Inselhauptstadt Aigina bis sich das Coral-Hotel mit dem erfolgreichen Eingang des Hydraulikantriebs meldet.

Bis dahin genieße ich einen lauschigen Abend in der Bucht, mache am nächsten Tag einen Ausflug in die Stadt.

Dann folgen kleine technische Dienste am Boot und der Ausbau der defekten Hydraulik der Selbststeuerung.

Für den Stadtgang steige ich in das Dinghi, genieße gerade die neue Sitzbank und werde dabei von einer älteren Dame gestört, die vor ihrem Katamaran schwimmt und mir mehrfach ein deutsches „Hallo!“ zuruft. Ich paddele in ihre Richtung und sie bittet mich um technische Hilfe, es sei ein alter Computer für die Navigation ausgefallen.
Ich denke, dass ich helfen kann und steige am Heck auf den Kat auf.

Ela, so heißt die Eignerin, trocknet sich ab und schildert, dass ihr Mann Joachim vor ein paar Tagen ein Unfall hatte und am Kopf behandelt werden musste. Er habe etwas an dem Windows-XP-Rechner in dem Navigationsprogramm verändert, eine versehentlich eingetragene Mann-über-Bord-Meldung lasse sich nicht ausschalten, die Karte bleibe auf den gesetzten Punkt stehen. Außerdem sei auf einem mobilen Gerät das Programm der Ankerwache ausgefallen.

Während sie mir das erklärt und ich das 20 Jahre alte Windows-Mobilgerät starte, um die Ankerwache zu überprüfen, kommt ihr Mann aus der Schlafkabine nach oben und ist genervt, dass seine Frau sich Hilfe geholt hat. Ich überlasse ihm sofort den Platz am Navigationstisch und er öffnet das betagte Notebook mit Windows XP und versucht, die Navigation zu starten.
Er wird unwirsch zu ihr, ist ungerecht und ein bisschen neben der Spur, die Stimmung kippt und ich verabschiede mich höflich.

Sie geleitet mich zum Dinghi und entschuldigt sich, er stehe unter Medikamente und außerdem sei man schon über 80 und seit 20 Jahren unterwegs mit dem Katamaran, jetzt werde es immer schwieriger, auch mit ihrem Mann. Sie werden verkaufen und das Reisen aufgeben müssen und ob ich einen Käufer für den Kat wüsste.

Ich verabschiede mich und rudere an den kleinen Badestrand an der Hafensüdseite und komme von dem Gedanken nicht los, wie schwer ihr diese Aussage mit dem Ende der Reisen gefallen ist. Sie hatte Tränen in den Augen und ich rechne meine verbleibenden Jahre aus.

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